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ThemaPoetische Dampflok3 Beträge
RubrikAllgemeine Themen
 
AutorThom8as 8J., München / 285618
Datum07.12.2006 20:424026 x gelesen
Abwechslungshalber mal nix für Augen und Finger, sondern für Gaumen, Zunge, Zähne und Ohren,

als kleine feine Sprachübung. Macht bei guter Übung den Dampfloksound hautnah erlebbar. Ersetzt

zwar keine fehlenden Soundmodule, lässt sie aber vielleicht leichter verschmerzen. Enthält außerdem weitere Anregungen zum Thema Güter gehören auf die Bahn.



Das Gedicht heißt: Die Lokomotive und stammt von einem Polen namens Julian Tuwim,

übersetzt ins Deutsche wurde es von James Krüss.

(Die Zeilensprünge markiere ich lieber mit // , weil ich vermute, dass die variierende Breitenwiedergabe auf dem Bildschirm sie doch nicht richtig wiedergeben wird. Besonders die ss

am Ende der ersten Zeilen müssen natürlich ordentlich zischen. Die weitere entsprechende Artikulation wird sich dann von selber einstellen)



Die grosse Lok ist heiss // ihr Öl tropft auf das Gleis, // und Öl ist, wie man weiss, //

Lokomotivenschweiss. //

Der Heizer, der füllt ihr mit Kohle den Bauch, // drum keucht sie und jammert und stöhnt unterm Rauch: // "UCH ist das heiss! // HUK soviel Schweiss! // PUH welche Glut! // DAS tut nicht gut!" //

Kaum kann sie schnaufen, kaum sich noch mucken: // Immer mehr Kohlen muss sie verschlucken. // Und so viel Wagen stehn auf den Gleisen, // grosse und schwere, aus Stahl und aus Eisen. //

Die soll sie schleppen. Je, welche Mühe! // Im einen sind Pferde, im andern sind Kühe. // Im dritten sind Männer, sehr dick und sehr rund, // die futtern dort Würste, fast viereinhalb Pfund. // Im vierten Waggon stehn sechs grosse Klaviere. // Im fünften sind wilde und seltene Tiere: // Ein Bär, zwei Giraffen und ein Elefant, // im sechsten, da werden Bananen versandt. // Im siebten sind eichene Tische und Schränke, // im achten gar eine Kanone - man denke! // Im neunten sind Schweine, die fett sind vom Mästen, // im zehnten nur Koffer und Kisten und Kästen. // Und dabei gibt´s vierzig solch riesiger Wagen, // was da alles drin ist, das kann ich nicht sagen! // Und kämen selbst tausend der stärksten Athleten, // und schmausten sie jeder wohl tausend Pasteten, // und würden sie noch so viel Mühe sich geben: // Sie könnten die Lok mit den Wagen nicht heben! //

Plötzlich - tschuff, // plötzlich - puff, // da staunt jeder: // Roll´n die Räder! //

Erst ging es langsam, schildkrötenlangsam, // bis die Maschine allmählich in Gang kam. //

Mühselig zieht sie mit Schnaufen und Grollen, // aber die Räder, die Räder, sie rollen. //

Und nun geht es fort mit Getös und Gebraus // und rattert und tattert und schnattert und knattert. // Wohin denn? Wohin denn? Wohin denn? Gradaus! // Auf Schienen, auf Schienen, auf Brücken, durch Felder, // durch Berge, durch Tunnel durch Wiesen, ddurch Wälder. //

Die Räder, sie plappern ihr Sprüchlein (ihr wisst es): // "So ist es, so ist es, so ist es, so ist es!"



(sorry, soeben werde ich unterbrochen! Der Rest folgt später)

Servus aus München, Thomas

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AutorThom8as 8J., München / 285634
Datum08.12.2006 14:453269 x gelesen
Hallo, hier folgt noch der Rest vom gestern unterbrochenen Dampflok-Gedicht

(ich wiederhole die letzten 2 Zeilen, um anzuschließen).



// Die Räder, sie plappern ihr Sprüchlein (ihr wisst es): // "So ist es, so ist es, so ist es, so ist es!"

// Sie rollen, sie tollen durch Hügel und Tal, // als wär die Maschine kein Dampfross aus Stahl, //

als wär sie, als wär sie - potz Schwefel und Pech - // was Kleines, was Feines, ein Spielzeug aus Blech. // Warum nur, wieso nur, weshalb nur so flink? // Wer treibt denn, wer treibt denn, wer treibt denn das Ding? // Wer macht dies Gestöhn und Geschnauf und Gestampf? // Der Dampf, liebe Leute, der zischende Dampf! // Der Dampf aus dem Kessel, (das weiss ja ein jeder) // der Dampf treibt die Kolben, die Kolben die Räder, // die Räder, sie treiben die schwere massive, // die keuchende eiserne Lokomotive. //

Und immer plappern die Räder (ihr wisst es): // "So ist es, so ist es, so ist es, so ist es!" ////



Ich habe das Gedicht mal erlebt, begeistert gesprochen (im Chor) von einer 4. Klasse bei einer Schulfeier. Die ganze Dynamik des Anfahrens und Abfahrens war erlebbar, die Kinder voll bei der Sache. Die letzten 2 Zeilen verklangen leiser werdend in der Ferne, dahinein liess der Klassenlehrer noch einen mundgeblasenen Dampfpfeifen-Pfiff gellen ...



So - jetzt könnt ihr mich lynchen und fragen, was die Poetik hier verloren hat - aber vielleicht könnt ihr den Text (aber live gesprochen bitte!) ja mal verwenden bei passender Gelegenheit.

Ich fand es schön zu erleben, wie einfach die gestaltete Sprache das Dampfbahngefühl

allein über das Hören wachrufen kann.

Servus aus München, Thomas

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Autor ., Südholstein / 285638
Datum08.12.2006 17:493088 x gelesen
Hallo Thomas

Ich -bin schon etwas älter - kann mich in dieses Erlebnis

vorgeführt von Kindern mit scheinbar einem tollen Lehrer hineinversetzen.

Es ist schade, dass in der heutigen hektischen Zeit kaum jemand von solcher Poetik Notiz nimmt. Aber ich bin sicher, dass manch Forumleser diese Zeilen in der nun kommenden besinnlichen Zeit noch eimal lesen oder sogar vortragen wird. Ich sage Danke für einen solchen Beitrag. Er gehört auch in dieses Forum. Zeigt er doch, dass noch nicht alle Kinder in dem Alter dem PC und der Playstation verfallen sind.

Dir und Deiner Familie eine schöne Vorweihnachtszeit.

norddeutsche Grüsse.

Dieter B.

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 07.12.2006 20:42 , München
 08.12.2006 14:45 , München
 08.12.2006 17:49 , Südholstein
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