Thema: Produktion in China
Autor: . Datum: 23.12.2004 12:28
Eine Barbie für 40 Cent
Chinas Spielzeugindustrie leidet unter steigenden Kosten und Protesten
von Johnny Erling
Peking -
Chinas gigantische Spielzeugindustrie klagt erstmals über schlechte
Geschäfte. Im November brach der Export allein von Weihnachtsartikeln
um mehr als ein Viertel ein auf einen Wert von 4,58 Mio. Dollar (3,42
Mio. Euro) ein. Die Chinesen stellen jeden zweiten deutschen
Kinderspielartikel und 75 Prozent aller Spielwaren in der Welt her.
Die Rohstoff- und Ölpreise trieben die Kosten der Billigproduzenten um
bis zu 30 Prozent. Zugleich werden sie ihre Nikoläuse,
Christbaumschmuck oder elektronisches Spielzeug in Europa immer
schwerer los.
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So laufen Rußlands Verbrauchervereine gegen giftige Rückstände in
chinesischem Plastikspielzeug Sturm, skandinavische Länder
beschlagnahmen tonnenweise kopierte Lego-Bausteine, Medien und
Verbände in Deutschland prangern die Ausbeutung der Billigarbeiter in
Chinas "Blut- und Schweißfabriken" an. Und die EU plant eine
Hersteller-Rücknahmepflicht für "elektronischen Müll" ab Mitte 2005.
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Die wachstumsverwöhnte Milliardenindustrie, bei der aller
internationalen und auch deutschen Markenhersteller produzieren
lassen, ist angeschlagen. Zahlreiche Betriebe für Weihnachtsschmuck an
Chinas Südküste gingen im Spätsommer Pleite; die Zuwachsraten des
Gewerbes verlangsamen sich seit Jahresbeginn.
2003 hatte China weltweit für mehr als sechs Mrd. Euro Spielwaren
ausgeführt. 3,5 Mio. Beschäftigte arbeiten zu Niedrigstlöhnen in den
8000 Spielzeugfabriken. Bei ihnen kostet etwa die Herstellung einer
einfachen Barbiepuppe kaum 40 Cents. Daneben existieren Tausende
unregistrierter Familienbetriebe, die es noch billiger machen. Die
staatliche "Beijing Review" schreibt von mehr als 10 000 Betrieben.
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Deutsche Verbände, von Misereor bis zur Verbraucherzentrale, prangern
illegale Kinderarbeit und grausame Arbeitsbedingungen an. Chinas
Spielzeugverband reagierte. Er wies seine Mitglieder an, bis 2006
internationale Mindeststandards zu erfüllen oder nicht mehr
exportieren zu dürfen. Die Standards richten sich nach dem
Verhaltenskodex des Weltverbands der Spielwarenindustrie.
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Zudem laufen der Branche seit Sommer die Bauernarbeiter weg. Sie
verdienen auf ihren Feldern wieder mehr als in den Fabriken. Viele
Unternehmen kalkulieren ihre Produktion mit so niedrigen Margen, daß
sie die Löhne nicht erhöhen können. Als in Kanton, Hauptstadt der
Provinz Guangdong, wo die meisten Spielzeughersteller sitzen, am
1. Dezember die Mindestlöhne für die untersten sieben Lohnklassen auf
35 bis 68 Euro pro Monat angehoben wurden, protestierten die
Betriebsdirektoren gegen diese "unerträgliche Mehrbelastung" bei der
Provinzführung.
Artikel erschienen am Do, 23. Dezember 2004
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