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ThemaFatale Übernahme36 Beiträge
AutorPete8r L8., Berlin / 292345
Datum14.06.2007 21:02      MSG-Nr: [ 292345 ]14070 x gelesen

Der Eisenbahner aus der U-Haft
Wie der schwerer Straftaten angeklagte Geschäftsmann Hermann Schöntag an die insolvente Nürnberger Modellbahnfirma LGB kam.

Drei Tage vor Weihnachten 2006 schien ein Retter nach Nürnberg gekommen. Euphorie machte sich Teilnehmern zufolge breit, als Insolvenzverwalter Steffen Goede den im örtlichen Amtsgericht versammelten Gläubigern der insolventen Modellbahnfirma LGB Hermann Schöntag präsentierte. Der Betreiber der bekannten Kleinbahn "Rasender Roland" auf der Insel Rügen wolle LGB samt der 130 Arbeitsplätze übernehmen, sagte Goede.

Mit Abstand das beste Angebot aller Bieter habe er für den entgleisten Hersteller wetterfester Gartenbahnen im Maßstab 1:22,5 abgegeben, die weltweit Kultstatus genießen. Folgerichtig erteilte die Gläubigerversammlung dem als "Eisenbahner durch und durch" (Nürnberger Nachrichten) Gepriesenen den Zuschlag.

Was niemand wusste, sagte oder schrieb: Schöntag war zu diesem Zeitpunkt bereits wegen Untreue, Steuerhinterziehung, Insolvenzverschleppung und anderer Delikte angeklagt und erst kurz zuvor aus der Untersuchungshaft entlassen worden.



Ausgewählt und für gut befunden
Der Haftbefehl ist nach Angaben des zuständigen Ravensburger Staatsanwalts Karl-Josef Diehl bis heute "nur außer Vollzug gesetzt, nicht aber aufgehoben worden." Das Verfahren unter dem Aktenzeichen 9 LS 13 JS 13294/04 ist inzwischen beim Schöffengericht Biberach gelandet, wo Richter Gerhard Bayer allerdings überlegt, "ob der Fall wegen seiner Schwere und der hohen Summen" nicht sogar am Landgericht Stuttgart verhandelt werden muss. Der Schaden beträgt Bayer zufolge 1,44 Millionen Euro; eine Freiheitsstrafe stehe im Raum.

Allein um 1,3 Millionen Euro soll Hermann Schöntag nach den Erkenntnissen der Ravensburger Ermittler die Kasse des "Studentenwerks der Pädagogischen Hochschulen des Landes Baden-Württemberg", eines eingetragenen Vereins, geplündert haben.

Als Geschäftsführer habe er Mieteinnahmen aus Studentenheimen in Ludwigsburg und Weingarten sowie einer Kindertagesstätte für sich privat abgezweigt. Andere Vorwürfe, zu denen auch Bilanz- und Bankrottdelikte gehören, beziehen sich auf Schöntags Geschäftsführertätigkeit bei einer Baubetreuungs- und -beratungsfirma. Im bisherigen Verfahren bestritt Schöntag alles; für eine Stellungnahme war er nicht erreichbar.

Obwohl die Ravensburger Ermittlungen bis ins Jahr 2004 zurückreichen und darüber immer wieder in Medien berichtetet wurde, wollen die in Sachen LGB Verantwortlichen nichts gewusst haben. "Wir haben davon erst durch den aufgeregten Anruf einer Kriminalbeamtin aus Baden-Württemberg erfahren, als der Kauf schon beurkundet war", sagt Rechtsanwalt Alexander Bergfeld aus der Kanzlei von Insolvenzverwalter Goede. Die Polizistin hatte davon in der Zeitung gelesen. "Hätten wir es gewusst, wäre ein Verkauf an ihn selbstverständlich nicht erfolgt."

Ausgewählt und als möglicher LGB-Übernehmer für gut befunden wurde Schöntag ohnedies nicht vom Insolvenzverwalter, sondern von der Lincoln International AG, einem auf Fusionen und Übernahmen spezialisierten Frankfurter Beratungsunternehmen.

Dieses hatte den entsprechenden Auftrag vom Pool der LGB-Gläubigerbanken, zu dem die Deutsche Bank, Dresdner Bank, IKB, Delmora und die Stadtsparkasse Nürnberg gehören. Dass auch diese ahnungslos gewesen seien, wundert Anwalt Bergfeld, "denn schließlich verfügen Banken über die besten Informationen und Möglichkeiten überhaupt, was Bonitätsprüfungen angeht."

Gegenüber dem Insolvenzverwalter hätten sich sowohl der Bankenpool als auch der Gläubigerausschuss für Schöntag stark gemacht. Der konnte ungeachtet seiner Probleme sogar eine Teil-Finanzierungsbestätigung einer schwäbischen Volksbank für den LGB-Kauf vorlegen. "Im Nachhinein bleibt sicher ein dummer Geschmack", sagt der bei Lincoln International für die Käufersuche zuständige Frank Winter. Aber auch er ist sich keiner Schuld bewusst. Man könne schließlich "nicht jeden Bieter bis ins Kleinste überprüfen", was außerdem "in solchen Fällen völlig unüblich" sei, sagt er. Im Übrigen gelte doch die Unschuldsvermutung.

So oder so - der vermeintliche LGB-Retter Schöntag entpuppte sich als Flop. Kurz nach dem Kauf räumte er ein, doch nicht über das für den Neustart nötige Kapital zu verfügen. Auch er meldete schließlich für sein Nachfolgeunternehmen Insolvenz an. Zum 1. Juni wurde allen Mitarbeitern gekündigt. LGB wird nun zerschlagen. Für einige lukrative Teile interessiert sich Märklin.


(SZ vom 15.6.2007)



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