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ThemaRhB - Im Panorama-Zug durch die Schweizer Berge Der Glacier-2 Beiträge
AutorGerd Vorwerk, Berlin / 41199
Datum24.10.2004 23:54      MSG-Nr: [ 41199 ]3303 x gelesen

Hi Rhb Freunde,



gefunden im Berliner Tagesspiegel vom 24.10.2004 -Reisen- !



Ringsherum beste Aussichten



Im Panorama-Zug durch die Schweizer Berge Der Glacier-Express wird 75 Jahre alt



Von Marlis Heinz



Das größte Problem: Wer im Glacier-Express sitzt, steht nicht draußen ? und umgekehrt. Wer vom Waggon aus die Berg- panoramen genießt, kann nicht beobachten, wie sich der Zug durch die Schweizer Landschaft schlängelt, wie er über atemberaubende Viadukte fährt, wie er sich durch enge Kurven windet, wie er aus Tunneln auftaucht ...



Das zweitgrößte Problem: Wer in einem noblen Panorama-Wagen mit den riesigen Glasfenstern sitzt, genießt zwar maximalen Rundumausblick und vielsprachige Erläuterungen, aber er kann nicht den Kopf aus dem Fenster stecken und schon gar nicht die Kamera. Ein Foto in der Kurve wäre aber die einzige Möglichkeit, Bahn und Landschaft gleichermaßen aufs Bild zu bekommen. Also gibt es nur eines: die Suche nach einem Ausguck.



Ich mache mich auf den Weg ? durch die Waggons, in denen neben allerlei Europäern vor allem Touristen aus Asien die Landschaft bestaunen; vorbei an der Küche, wo nicht etwa eine Mikrowelle Teller aufwärmt, sondern ein leibhaftiger Koch knusprigen Braten tranchiert; durch den Speisewagen ?Gourmino?, wo die Kellner ? als gäbe es das Ruckeln und Wackeln nicht ? den Schnaps aus Augenhöhe ins Glas auf dem Tisch plätschern lassen. Dann die Bar, sie hat an beiden Seiten winzige Schiebefensterchen, groß genug, das Objektiv hindurchzustecken und auf Kurven zu hoffen.



?Jetzt musst du aber auf die andere Seite, gleich kommt eine Rechtskehre mit schönem Blick ins Tal!? ? ?Jetzt kannst du dir Zeit nehmen, es beginnt erst mal ein langer Tunnel, und dann gehst du nach links!"? ? Woher weiß dieser Mann das alles? Er sitzt am Tresen, verspeist genüsslich sein Bündner Fleisch, nippt gelegentlich an seinem Rotweinglas und beobachtet die Landschaft nur aus den Augenwinkeln. Meine Verwunderung amüsiert ihn und er verrät: ?Ich bin diese Strecke 30 Jahre als Lokführer gefahren. Immer wieder die 91 Tunnel, 291 Brücken ?? Also lasse ich den gedruckten Reiseführer mit all seinen Jahreszahlen, Streckenprofilen und ?Rollmaterial-Typenskizzen? in der Tasche verschwinden und frage den lebendigen aus.



Othmar Müller heißt er, ist seit vier Jahren in Pension. In seinen Glacier-Express ist er heute mal wieder gestiegen, weil diese Strecke im Jahr 2005 ihr 75-Jähriges feiert und er für eine Schweizer Regionalzeitung etwas über die Jubiläumsvorbereitungen schreiben soll. ?Ich kenne wirklich jede Kehre. Aber an der Bar bin ich die Strecke noch nie gefahren?, sagt der Bahnprofi lachend und gibt mir weiter die Kommandos für die schönsten Fotomotive. ?Der Lokführer tut eigentlich einen ganz einsamen Job?, philosophiert Othmar. ?Und es gibt wirklich Augenblicke, da kannst du nur bremsen und beten. Wenn du in eine Lawine fährst, Steinschlag herabprasselt oder du gerade noch durchkommst durch ein Unwetter. ? Aber nein?, er winkt ab und lässt sich noch ein Schlückchen Rotwein nachschenken, ?wirklich passiert ist mir nie etwas. Im Zug kommt man schließlich viel sicherer durch die Berge als im Auto.?



Der Glacier-Express sei auch immer seine Lieblingsstrecke gewesen, schwärmt er. Manchmal fahre man in diesen knapp acht Stunden durch zwei oder drei Jahreszeiten, habe auf dem Oberalppass, wo die Schienen auf 2033 Metern liegen, häufig Winter, wenn es in den Tälern noch oder schon blüht. ?Und weil ein Lokführer ja nicht immer die ganze Strecke absolviert, sondern irgendwo schläft, lernt man die Leute kennen. Der italienische, romanische oder deutsche Menschenschlag ist doch ziemlich verschieden. Und dann die bahnverrückten Fahrgäste. Die kommen und diskutieren über jedes Schräubchen und wissen immer alles schon ganz genau ? na ja, diese Freude muss man denen lassen.?



In St. Moritz, dem Zielbahnhof des Glacier-Express verliere ich Othmar aus den Augen. Schade, denn am nächsten Morgen wimmelt es am dortigen Bahnhof nur so von jener Art ?verrückter Fahrgäste?, über die er sich so amüsiert. Der Bernina-Express macht eine Sonderfahrt. Nein, eigentlich ist es nicht der fahrplanmäßige Bernina-Express höchstselbst, sondern eine historische Bahn auf dessen Strecke zwischen St. Moritz über den Bernina-Pass hinab ins italienische Tirano. Diese neue Extratour ?Rund um die Bernina?, die ein Schweizer und ein italienischer Eisenbahnverein erstmals gemeinsam auf die Scheinen gestellt haben, soll so oder ähnlich ab und zu wiederholt werden (zum Beispiel am 30. Juli 2005). Sie führt über eine Dreiecksstrecke, bestehend aus der Tour über den Bernina-Pass, einer Dampflokfahrt durch das italienische Veltlin, einer Schifffahrt über den Comer See und der Rückreise mit dem Postbus nach St. Moritz.



Heute also Premiere. Die Freaks wissen längst, welche Lok mit welchen Waggons unterwegs ist und fiebern vor allem der Dampflok der zweiten Etappe entgegen. Ich weiß nur: Ich sitze im ältesten Wagen der Rhätischen Bahn aus deren Gründungsjahr 1881. Der sieht historisch aus und fühlt sich hart an und ist vermutlich der einzige Waggon dieser Welt, für den eine eigene Hymne komponiert wurde. Und man hat besagte zwei Probleme nicht: Auf dem Fahrplan stehen extra Fotostopps, so dass der Drinnen-oder-draußen-Konflikt gelöst ist. Und schnell habe ich auch herausbekommen, wie man mittels eines dicken Lederbandes das Fenster zum Hinauslehnen versenkt.



Los geht es also, immer hinauf. Alles Sommerliche bleibt zurück. Die Passagiere des Aussichtswagens, der ?oben ohne? unterwegs ist, holen Mützen und Schals heraus und halten ihre Kameras mit klammen Fingern. Auf dem Pass beim mit weißer ?Gletschermilch? gefüllten Lago Bianco liegt sogar Schnee. Was die Freaks nicht davon abhält, das Angebot eines Fotostopps begeistert anzunehmen. ?Fotolinie hier!?, schreit der Organisator der Tour und weist den Leuten mit den Kameras ihre Positionen zu. Die fügen sich bereitwillig und reihen sich am Bahndamm auf. Der Zug mit den wenigen gebliebenen Fahrgästen stößt zurück und rollt dann langsam auf die Knipsenden und Filmenden zu, bremst, lässt alle wieder einsteigen. Diese Prozedur wiederholt sich noch mehrmals auf der Tour, vor allem dort, wo der Autofahrer nicht parken und einfach fotografieren könnte.



Solcherart Aussteigemöglichkeit auf freier Strecke bietet der ganz normale Bernina-Express natürlich nicht. Der richtet sich streng nach seinem Fahrplan, das heißt die Strecke von Chur hinauf auf den Pass und dann hinab bis nach Tirano darf vier Stunden dauern, ab St. Moritz zweieinviertel.



Jede Menge Superlative hat die Tour zu bieten: Die Bernina ist die höchste Bahnverbindung, die offen ? also ohne Scheiteltunnel ? über die Alpen führt. Vom höchsten Punkt der Reise, dem Bernina-Pass mit dem Ospizio Bernina auf 2253 Metern, rollt der Zug auf 429 Meter nach Tirano hinab. Auf fünf Kilometern Luftlinie hat er dabei 1000 Höhenmeter zu überwinden. So bewältigt die Bahn ein Gefälle ? oder umgekehrt eine Steigung ? von bis zu 70 Promille. Das bedingte den Bau von raffinierten Kehren und Schleifen, die den Reisenden immer wieder mit Ausblicken verblüffen. Unter Touristikern ist man sich zwar einig, dass der Glacier-Express die berühmtere Schweizer Strecke ist, schon weil sie die Nobelorte St. Moritz und Zermatt verbindet. Unter Eisenbahnliebhabern wird der Bernina-Express jedoch als die bahntechnisch noch raffiniertere gehandelt.











Reservierung wärmstens empfohlen



ANREISE



Die bequemste Anreise für die erste Etappe erfolgt mit CityNightLine. Um 21 Uhr 24 in Berlin Ostbahnhof ab, 7 Uhr 45 in Basel oder 9 Uhr 16 in Zürich an. Die Aufpreise für die Nachtzüge (zum Beispiel Schlafwagen je nach Luxus und Belegung zwischen 39 und 149 Euro) lassen sich an den Übernachtungspreisen in Basler oder Züricher Hotels durchaus messen



PARADESTRECKE



Zwar ist die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt kein Platz mehr im Zug zu finden ist selbst bei den Schweizer Paradestrecken gering. Dennoch ist eine Buchung ? vor allem wenn man sich einen bestimmten Reisetermin und eine spezielle Wagen-Klasse vorstellt ? unbedingt zu empfehlen, teilweise sogar obligatorisch. Panoramawagen beispielsweise sind reservierungspflichtig und fahren nicht mit jedem Zug. Auch für den Speisewagen des Glacier-Express ist eine Vorbestellung ratsam (Telefon: 00 41 / 812 52 14 25, E-Mail: sales.chur@elvetino.ch)



TICKET-PREISE



Eine Tour von Zermatt nach St. Moritz oder umgekehrt kostet in der 2. Klasse 131 Schweizer Franken (85 Euro), in der 1. Klasse 218 Franken (142 Euro). Der Zuschlag für den Glacier-Express beträgt je nach Saison neun oder zwölf Franken.



Mit dem Bernina-Express von Chur nach Tirano fährt man für 58 beziehungsweise 96 Franken, die Strecke St.Moritz?Tirano kostet 26 beziehungsweise 43 Franken (Zuschlag sieben Franken).



Für unbegrenztes Reisen mit Schweizer den meisten Bahnen, Bussen, Schiffen und Nahverkehrslinien bietet sich der Swiss Pass an. Er gilt für Zeiträume zwischen vier und 31 Tagen. Die acht Tage gültige Variante ohne Ermäßigung kostet für die 2. Klasse 340 Franken 226,66 Euro. Auf einigen Strecken muss jedoch auch der Pass-Inhaber Zuschläge und Reservierungsgebühren zahlen.



VERANSTALTER



Neben anderen Reiseveranstaltern bietet Wörlitz Tourist Reisen mit unterschiedlichen Alpenzügen oder Bergbahnen in der Schweiz. So auch Fahrten mit dem ?Mont Blanc Express?, der ?Furka-Dampfbahn? oder der ?Centovallibahn? im Tessin, die auf der Strecke von Domodossola bis Locarno durch 100 Täler und über 83 Viadukte fährt. Sie gehört zu den Romantik-Klassikern. Auskunft: Wörlitz Tourist, Frankfurter Allee 31A, 10247 Berlin; Telefonnummer: 030 / 42 21 95 10, Telefax: 030 / 42 21 95 19, E-Mail-Adresse: info@woerlitz tourist.de, im Internet unter: www.worlitztourist.de



AUSKUNFT



Rhätische Bahn, Bahnhofstraße 25, CH-7002 Chur; Telefon: 00 41 / 812 / 88 61 04, Fax: 00 41 / 812 / 88 61 05, E-Mail: contact@rhb.ch, Internet: www.rhb.ch



Hier erfährt man auch mehr zu speziellen Reisen mit historischen Zügen im Jubiläumsjahr 2005.




Gruß Gerd


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