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ThemaZur Pensionierung von Reto Crameri, Bahnhofsvorstand von Surava1 Beitrag
AutorAndr8eas8 C.8, Zürich / CH306720
Datum13.04.2009 10:40      MSG-Nr: [ 306720 ]2474 x gelesen

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Die Südostschweiz

Ausgabe Graubünden, März 2009


Bahnhof Surava: Läuft denn da noch was? Und ob ...., bloss sind es mehr Güter als Fahrgäste, um die
sich Stationsvorstand Reto C. Crameri 42 Jahre lang kümmern musste. Jetzt geht er in Pension. Seine
Geschichte ist auch ein Stück Bahngeschichte.



Surava, Station der Rhätischen Bahn

Hier hält kein Zug mehr, seit einem Dutzend Jahren schon. Fast keiner, muss man inzwischen sagen − die
Zeiten ändern sich wieder, dank der Initiative eines bahnbegeisterten Kantonsschülers aus dem Dorf. Drei
Mal morgens, drei Mal abends kann in Surava heute der Zug bestiegen werden, ein partielles Zurückbuchs-
tabieren der Kleinen Roten. Trotzdem, die alten Zeiten sind vorbei, tagsüber ist nicht mal mehr ein Halt auf
Verlangen möglich im Albulataler Dorf. Einen Betriebsdisponenten oder, volkstümlicher ausgedrückt, Stati-
onsvorstand, den gibt es allerdings nach wie vor in Surava. Es ist ein und derselbe, seit 42 Jahren und, pensi-
onsbedingt, noch bis Ende Woche: Reto C. Crameri, 61, geboren und aufgewachsen in San Carlo bei Poschi-
avo, das «C.» im Namen steht für «Carlo», logisch, «und schon in der Lehre habe ich gesagt, in Surava
möchte ich dann lieber nicht arbeiten», erinnert er sich. Ebenso logisch also, dass er genau hier landete.



«Ein Kran müsste her»

Ein Stationsvorstand in Surava? Wozu denn?, mag man sich fragen, die magere Fahrplanpräsenz der Halte-
stelle vor Augen. Die Antwort findet, wer sich beim Bahnhof genauer umsieht: Baustoffwerk, Schaumglas-
fabrik Misapor, ein Lager der Lebensmittelimporteure mit 20?000 Tonnen Waren, eine Armee-Tankanlage,
Schotterverlad ­ die Station Surava ist de facto das Umschlagzentrum für Güter im Albulatal, sowieso, seit
die übrigen nahen Bahnhöfe für Waren geschlossen sind. «Nur die Infrastruktur für ein echtes Zentrum fehlt
uns noch ein wenig», stellt Crameri fest, «ein Kran müsste her, eine bessere Schotter-Verladestation, ein
stärkerer Schienentraktor.» Crameris Sohn ­ der erwähnte Kantonsschüler ­ hat über das Thema geschrieben.
Ob für Surava etwas daraus wird, steht in den Sternen, vielleicht in den Zukunftsszenarien der Bahn. Tatsa-
che ist: In Spitzenmonaten werden in Surava gegenwärtig an die 500 Güterwagen abgefertigt. Und das gibt
Crameri mehr als genug zu tun.



Als ob?s der eigene Betrieb wäre

1967, nach zwei Jahren Lehre, hat der Puschlaver in Surava angefangen, als Vertretung zuerst, dann gefiel es
ihm wider Erwarten so gut, dass er bleiben wollte, «und ich bereue die Wahl nicht, gerade in den letzten Jah-
ren habe ich oft gedacht, eine so schöne Stelle wie ich haben nur wenige», sagt Crameri. Natürlich fehlt ihm
seit der Stilllegung des Personenverkehrs ein wenig der Kundenkontakt am Schalter, wobei, ganz ist der
nicht verschwunden, Crameri verkauft pro Jahr auch heute noch Fahrkarten im Gegenwert von mehreren
tausend Franken. Aber «ich komme hier arbeiten, wie wenn es mein eigener Betrieb wäre», meint der Stati-
onsvorstand. «42 Jahre ­ da wächst man fast ein wenig ein.» Aber ein Quäntchen Glück war ab und zu schon
im Spiel, zum Beispiel 1972, als beim Rangieren zwei Güterwagen «entliefen», wie man sagt, und mit hoher
Geschwindigkeit in Richtung Tiefencastel hinabrollten. «Da dachte ich schon, es gebe Tote, räumt er ein; er
raste den Wagen in seinem Ford Capri auf der Strasse hinterher. In Tiefencastel konnten die Ausreisser dann
aber mit einem Schienentraktor aufgehalten werden. «Nur Materialschäden.» Crameris Erleichterung ist 37
Jahre danach noch zu spüren.



«Einfach der richtige Zeitpunkt»

Und jetzt? Jetzt «ist einfach der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören», findet Crameri. «Und ich bin froh, dass
die Station weiterhin besetzt sein soll, mindestens so wie bisher.» Einen Abschiedsapéro für die Bevölkerung
gibt es am Freitag ab 16 Uhr noch, danach ist Schluss. Wirklich Schluss? So ganz sicher ist er sich da nicht.
Schliesslich muss sein Nachfolger auch mal in die Ferien können. Und braucht dann eine Ablösung.










Andreas Cadosch Modellbahnen@Cadosch

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 13.04.2009 10:40 , Zürich

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